Ruth Bussche

Fotostoria

Daran und damit arbeite ich: Provenienzforschung, wissenschaftliche Datenbanken, webbasierte Forschungsumgebungen, Fotogeschichte, historische Bildsammlungen, Normdaten

dritz

Lesezeit: 3 Minuten

Vor einigen Tagen wurde eine fotohistorische Diskussion entfacht. Anlass dafür ist die Fotografie eines Baumblattes, die am kommenden Montag (7.April 2008, 18 Uhr) bei Sotheby´s, New York, zum Verkauf angeboten werden soll. Datiert wurde das Bild um das Ende des 18. Jahrhunderts. Sollte diese Bewertung richtig sein, ist dieses Bild dreißig bis vierzig Jahre vor der bis jetzt ältesten bekanntesten Aufnahme aus dem Jahr 1827 entstanden.

Genaugenommen handelt es sich bei dem „Leaf“ weniger um eine Fotografie als um ein Fotogramm, also eine fotogenische Zeichnung. Bei dieser Aufnahmemethode wird ein Objekt auf ein mit Silbernitrat benetztes Stück Papier oder Leder gelegt. Auf diese Weise entsteht ein Negativ.

Das jetzt angebotene Blatt stammt aus einer Mappe mit insgesamt sechs fotogenischen Zeichnungen, welche ehemals Henry Bright of England gehörte und 1984 bei Sotheby´s in London verkauft wurde.

Damals ging man davon aus, dass die Aufnahmen von Henry Fox Talbot, einem der Urväter der Fotografie, stammten. Nun wurde allerdings in einer Ecke des Bildes ein „W“ entdeckt. Aufgrund der engen Kontakte, die die Bright Familie auch zu Thomas Wedgwood (britischer Fotopionier), Humphrey Davy (Professor für Chemie an der „Royal Institution“ in London und Wegbereiter der modernen Elektrochemie) und James Watt (Erfinder der modernen Dampfmaschine) hatte, vermutet man nun hinter einem der Männer den eigentlichen Urheber des Bildes. Auch der Talbot-Experte, Larry Schaaf ist zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei den Aufnahmen nicht um Werke von Talbot handelt. Er stützt seine These zum einen auf die Tatsache, dass das Bild Talbot nicht ähnlich sehe. Desweiteren weist er auf die enge Verbindung der Bright Familie zu Wedgwood hin. Auch das eingangs schon erwähnte „W“ in einer der Ecken des Bildes könnte diese These stützen. Schließlich findet sich dieses „W“ auch auf vier anderen Aufnahmen des Albums.

Gegen die Urheberschaft Wedgwoods spräche allerdings, dass Davy, der einen Bericht über die Experimente Wedgwoods veröffentlichte, darin die Schwierigkeit beschreibt, das erzeugte Bild zu fixieren. Andererseits veröffentlichte Samuel Highly, ein Mitglied der Chemical Society und Herausgeber einer fotografischen Zeitschrift, 1885 einen Artikel, in welchem er angibt, Arbeiten von Wegdwood gesehen zu haben.

Davy dagegen pflegte sowohl zu Wedgwood, als auch zu Mitgliedern der Bright Familie engen Kontakt. In dem Besitz der Bright Familie sollten sich die Blätter später wiederfinden. Da Davy von den Experimenten Wedgwoods wusste, kommt er somit ebenso als Urheber für die Bilder in Frage.

Ein guter Freund von Richard Bright Jr. (Mitglied der erwähnten Bright Familie) und Humphrey Davy, welcher selber Experimente mit Fotografien anstellte, war der schon erwähnte James Watt. In einem Brief an Wedgwood dankt er diesem für gewisse Anweisungen bezüglich der Silberbilder, an welchen er einige Experimente durchzuführen gedenkt. Und schließlich beginnt sein Nachname mit einem „W“. Letztendlich wird die Aufnahme bei Sotheby´s nun unter „Photographer Unknown“ angeboten.

Das Blatt ist Teil der „Quillan Collection of Nineteenth and Twentieth Century Photographs“. Man geht davon aus, dass das Bild ca. 5 bis 7,5 Millionen US-Dollar (exklusive Kaufprämie) einbringen wird.

aus: photohist.fr Mails vom 29.03.2008 und 30.03.2008
http://antiques-collectibles-auction-news.com

http://www.cbsnews.com
http://www.sothebys.com (lot 43) oder hier (mit Login)

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